Mitten im Stadtteil Kücknitz findet sich ein den meisten Lübeckern unbekanntes landschaftliches Kleinod: der Talzug der unteren Kücknitz! Diesen für die Erholung weiter auszugestalten und gleichzeitig die Natürlichkeit darin zu fördern, haben sich der Gemeinnützige Verein Kücknitz e V., der Bereich Stadtwald der Hansestadt Lübeck und weitere Kücknitzer Vereine, Verbände und Bürger als Ziel gesetzt.
Für die Umsetzung der naturfördernden Vorhaben bietet sich der Topf für Ausgleichsmaßnahmen, den die Herrentunnel-Gesellschaft für ihre Eingriffe in die Natur füllen muss, an. So fließt das Geld auch im Sinne der Herrentunnel-Gesellschaft zu den Bevölkerungskreisen, die unter der Last der Baumaßnahmen zu leiden haben.
Weitere Sponsoren für die erholungsfördernden Vorhaben werden noch gesucht.
Nachfolgend einiges Wissenswertes über das Kleinod im Herzen von Kücknitz:
Hans Rathje Reimers
Oktober 2002
Die Kücknitz – heutzutage mehr unter dem umständlicheren Namen Kücknitzer Mühlenbach bekannt – zerfällt in zwei geologisch unterschiedlich alte und auch unterschiedlich geprägte Teile. Der älteste, fast nord/südlich und fast geradlinig verlaufende Mittel- und Unterlauf verdankt seine Entstehung der bei uns ausklingenden Eiszeit.
In dem sich langsam auflösenden Eis des Gletschers erweiterte sich eine Längsspalte an ihrem Grunde zu einem weiten Tunnel, durch den sich in den Sommermonaten ein reißender Schmelzwasserstrom ergoss. Dieser spülte eine tiefe Rinne in den Untergrund und schüttete seitlich hohe, langgezogene Sandbänke in dem Eistunnel auf.
Nach dem vollständigen Abschmelzen des Eises blieben diese Strukturen in der Landschaft erhalten. Die ehemaligen Sandbänke nennt man Os, in der Mehrzahl Oser, die sie begleitenden Rinnen "Osgräben". Das Wort "Os" stammt aus dem Schwedischen, wo es diese geologischen Gebilde öfter gibt; bei uns sind Os-Systeme schon morphlogische Besonderheiten. Im Deutschen hat man das hier unbekannte Wort mit dem immerhin doch sehr charakterisierenden "Wallberg" zu übersetzen versucht. Dieser Wallberg zieht sich entlang der Südwestseite des Waldhusener Forstes über den Friedhof, durch die Siedlungen Wallberg (!) und Rangenberg bis zur Seelandstraße. Ein Seitenzweig verläuft nördlich des Waldhusener Bahnhofs, über den Forstort Langerberg (!) bis zum Autobahnknoten (im letzten Teilstück allerdings durch Kiesabbau zerstört). Der Osgraben des letzt beschriebenen Seitenzweiges wird durch die Friedhofsteiche, die Senken unterhalb des Bahnhofes und durch den Olendiek bezeichnet. Der Osgraben des Hauptosers wird von dem Mittel- und Unterlauf der Kücknitz durchflossen.
Der Oberlauf dieses Baches beginnt neben dem heutigen lübschen Wasserwerk Kleinensee mit dem Auslauf des ehemals vorhandenen gleichnamigen Sees. Das Wasser ergoss sich in das "Pöppendorfer Niederungsbecken", das durch den vorgenannten Os zu einem See aufgestaut wurde. Das Wasser schuf sich an der niedrigsten Stelle des Osers einen Durchbruch, womit die beiden unterschiedlichen Bachteile zu einer Einheit verschmolzen.
Der Name des Baches Kücknitz und des heute gleichnamigen Ortes ist slawischen Ursprungs. Der Ortsname Kücknitz erscheint in frühen Urkunden des 14. bis 16. Jahrhunderts schon teilweise eingedeutscht als "Kykelitze" oder in ähnlichen Schreibweisen und besteht aus den beiden slawischen Wortteilen: "Kyka" und "lici". Letzteres bezeichnet "das Dorf des ..." und Kyka ist ein slawischer Personenname. "Kykelitze" ist also das "Dorf des Kyka". Im heutigen Ortsnamen ist aber das "l" durch ein "n" ersetzt. Die Erklärung liegt darin, dass in der frühen Neuzeit der Bachname (slawisch "Kykanica"; "nica" = Wasserlauf, Bach; Kücknitz also = "Bach des Kyka") auf den an diesem Bach liegenden Ort übertragen wurde. Die slawische Wasserlaufbezeichnung "nica" = eingedeutscht "nitz" ist besonders im südlichen Umfeld Lübecks sehr oft anzutreffen: Stepenitz, Wakenitz, Strecknitz, Stecknitz und andere.
Die Kücknitz wurde sehr bald nach der deutschen Besiedlung unseres Raumes wegen ihres relativ starken Gefälles und Wasserreichtums zum Antrieb einer Mühle genutzt. Die Kücknitzer Mühle stand bis 1940 in etwa dort, wo heute die Seelandstraße das Bachtal der Kücknitz kreuzt. Drei Mühlenteiche bildeten das Wasserreservoir für die trockneren Sommermonate. Den obersten Mühlenteich finden wir in dem heutigen Straßennamen "Vorderteichweg" als Zuwegung zu dem Schießstand der Hubertusgilde wieder. Der mittlere Teich befand sich zwischen der heutigen Straße "Im Brunskroog " und den Sportanlagen des Kücknitzer Schulzentrums. Reste des Staudammes sind dort noch in dem engen Bachtal zu sehen. Der unterste Mühlenteich, aus dem die Mühlräder direkt betrieben wurden, befand sich oberhalb des jetzigen Seelandstraßendammes.
Schon sehr bald heißt das obere Teil des Tales "Schlünz'scher Park", nach einem Bauernhof, der direkt am Tal bis in die 1960er Jahre hinein stand. 1925 veranstaltet der Gemeinnützige Verein Kücknitz e. V. (GMVK) hier sein erstes Waldfest. Für diese Feste ließ der GMVK 1929 eine Tanzfläche aus Beton für 1.000,– Reichsmark herrichten, die noch heute im Wald in der Nähe des Rangenberger Gemeinschaftshauses zu finden ist und jetzt für Veranstaltungen wieder hergerichtet werden soll.
Die ungeklärten Abwässer aus Kücknitz ließen den Bach zu einer Kloake werden. Daran änderten auch die eingerichteten Kläranlagen (Schmaler Stieg – 1928, Herrenwyk – 1969) nicht viel. Geruchsbelästigungen hielten die Spaziergänger fern. Erst das Klärwerk Ochsenkopf schaffte Abhilfe, so dass sich die Qualität des Bachwassers regenerieren konnte. Heute steht das gesamte untere Kücknitztal unter Landschaftsschutz.
Die landwirtschaftliche und mühlentechnische Nutzung des unteren Kücknitztales gehört der Vergangenheit an. Dafür bot es sich wegen seiner landschaftlichen Reize, seiner relativen Naturnähe und wegen seiner Lage innerhalb ausgedehnter Wohnbereiche zur Nutzung als Naherholungsgebiet an.
Diesem Anliegen hat sich der Gemeinnützige Verein Kücknitz e. V. gemeinsam mit dem Bereich Stadtwald der Hansestadt Lübeck als Verwalter des überwiegenden Teils der dortigen Liegenschaften verschrieben. Es wird angestrebt, die beidseitigen Abhänge des Tales, wie auch schon teilweise geschehen, zu bewalden. Dadurch wird der Blickkontakt zu der näheren Wohnbebauung und zu den ferneren Industrieanlagen verdeckt, so dass sich für den Spaziergänger im Tal die Illusion einer kulturfernen Naturidylle ergibt. In der Tal-Aue soll eine offene Wiesenlandschaft erhalten, beziehungsweise wieder hergestellt werden. Der Bachlauf der Kücknitz wurde in den 1960er Jahren seiner natürlichen Mäanderschleifen beraubt, kanalisiert, mit Sohlabstürzen versehen und tiefer ausgegraben. Diese Vergewaltigungen des Baches müssen rückgängig gemacht werden, wobei auch die Verrohrung des Mündungsbereiches zwischen der Seelandstraße und der Trave wieder aufgehoben werden muss. Dann kann die Kücknitz wieder das werden, was sie ehemals zu Anfang des 20. Jahrhunderts einmal war: der fischarten- und individuenreichste Bach des Lübecker Gebietes.
Darüber hinaus sollen die Wanderwege in einen besseren Stand versetzt werden und das Wanderwegenetz nach Kücknitz hin über die Straße "Im Keil" eine Anbindung bekommen. Sitzgelegenheiten und eine Rodelbahn sollen das Erholungsangebot im Kücknitztal für Alt und Jung attraktiver gestalten, und Waldfeste für den gesamten Stadtteil sollen im Schlünz'schen Park wieder möglich werden.